Was die Fussball WM und der Song Contest so alles gemeinsam haben.
Wenn man die internationale Berichterstattung der Fussball-WM mitverfolgt hat, so ist man in einem Meer von Superlativen ertrunken und musste mehr oder weniger zu dem Schluss kommen, dass wohl beinahe sämtliche Sportjournalisten von der FIFA bestochen sein hätten können. Als Schweizer hatte ich mir zwar nach der letzten WM - die Nichtfussballnation Schweiz schied im Achtelfinale nach einem 0:0 und keinem einzigen verwerteten Penalty gegen die Ukraine zurecht aus – geschworen, nie wieder eine Fussball-WM anzuschauen, aber ich tat es dann zumindest teilweise doch wieder. Wobei ich mir grundsätzlich die Frage gestellt habe, wie sinnvoll Turniere mit Nationalmannschaften überhaupt noch sind, wenn es daneben hoch professionelle Clubs gibt, die z.B. in der Championsleague auf einem ganz anderen Niveau Fussball spielen mit Mannschaften, die nicht kurzfristig zusammen gewürfelt sind, sondern dauernd zusammen trainieren und spielen.
Über den spielerischen Inhalt der WM kann man vielleicht geteilter Meinung sein, aber es war wohl nicht nur mir fad - im Live-Ticker hat sich das dann meist so gelesen: Foul, Foul, Foul, Foul, Fehlschuss, Foul, Foul, Fehlschuss, Foul, Foul, Foul etc. - sieht man von den Spielen der Deutschen an, die immer einen großen Unterhaltungswert haben. Aber was ist eigentlich mit der Zunahme von immer mehr und immer hässlicheren Fouls? Das Fazit dieser WM hätte auch heißen können: zerren-halten-treten-niedermähen und anschließend unschuldig drein schauen. Aber neben dem spielerischen Wert dieser WM stellen sich schon auch noch ein paar andere Fragen. Es ist schon eigenartig, dass ein Land wie Brasilien mit größten sozialen Problemen X Milliarden für die WM bezahlen muss - für Hunderte von Millionen Stadien in der totalen Provinz baut, die gerade vier mal und danach nie mehr benützt werden – die FIFA hingegen über drei Milliarden € Gewinn macht. Aber wahrscheinlich hat die FIFA Brasilien eingeredet, dass dann alle Nationen der Welt anschließend an die WM nach Brasilien auf Urlaub fahren und sie dann eh gleich alles wieder „herinnen“ haben. In etwa so wie mal Niki Lauda meinte, das Formel1-Rennen Spielberg sei deswegen für Österreich so wichtig, weil dann die ganze Welt zwei Stunden lang österreichische Landschaften im Fernsehen sieht.
Und da wären wir doch gleich beim Song Contest, der ja auch jedes Jahr unter der Prämisse, wie toll das Gastgeberland doch dabei aussteigt, für sehr viel Geld ausgerichtet wird. Aber ist schon klar?, dass es sich dabei NICHT um eine Musikveranstaltung, sondern um ein TV - Unterhaltungsformat handelt, bei dem es um nationale Sieger bei europaweitem Karaokesingen geht, was in der globalisierten Musikbranche noch um ein Vielfaches idiotischer als im Fussball ist. Jedenfalls ist es nicht wirklich einzusehen, warum ein Sender wie der ORF mit Kulturauftrag und der damit verbundenen Zwangseinhebung von Gebühren - und beim Song Contest geht es definitiv nicht um Kultur – der auch noch sparen sollte, hier große Summen (kolportierte € 20 Mio) ausgibt. Die er dann wohl wo einspart? .... Richtig!! Dem Jazz kann er allerdings nichts mehr wegnehmen, denn hätte man schon auf ZERO „runtergelevelt“. Aber dazu fällt mir noch etwas anderes ein: es gibt seit vielen Jahren eine junge starke junge Tanzszene in Wien. Und was macht der Kulturbeauftragte ORF? Er produziert seit Jahren eine Sendung mit Leuten, die NICHT tanzen können. Und es fällt nicht mal mehr auf. Oder versuchen wir es anders: ab dem nächstem Winter werden keine Skirennen mehr übertragen, dafür gibt es dann „Skiing Stars“..
mathias rüegg
ps: Und wenn wir schon beim ORF sind: Ö1 ist ein ausgesprochen erfreulicher Sender, der bessere Bedingungen verdienen würde, wobei Ähnliches für ORF3 gilt. Es gäbe z.B. folgende Möglichkeiten zur Besserstellung dieser zwei Sender: beide Sender werden vom ORF losgelöst und werden autonom, bestellen ihre Führung selber (bei absolutem Parteibuchverbot) entscheiden über den eigenen Standort sowie über die gesamte inhaltliche Ausrichtung. Die Finanzierung (nebst allfälliger Werbung) könnte z.B. so aussehen: jeder Gebührenzahler entscheidet darüber, ob seine Gebühr an Ö1/ORF3 oder an den Rest, also ORF1/ORF2/Ö3 geht. Oder etwas radikaler: ORF1/ORF2/Ö3 werden privatisiert und nur noch Ö1/ORF3 bleiben nationale Sender (wobei ORF3 zusätzlich für Nachrichten und politische Reportagen zuständig wäre), dann allerdings mit viel niedrigeren Gebühren.